Vom Erwachen - Kastalien-Online

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Vom Erwachen

Für zehntausende von Jahren wanderte die Art des Menschen gleich dem unwissenden Tiere auf der Erde umher. Er war mit dem gleichen Gehirne ausgestattet wie wir aber kein Funke hatte die Frage des Menschen nach sich selbst und dem Außerhalb seiner selbst entfacht, kein Artefakt zeugt aus dieser Zeit davon, dass der Mensch sich als Geisteswesen mitteilen wollte.

Irgendwann aber gab es einen wundersamen Moment in der Geschichte, an dem ein Mensch seinen Blick auf den Nachthimmel richtete und dort nicht mehr nur Lichter wahrnahm, sondern eine unbeantwortete Frage in sich aufsteigen fühlte: Was sind dies für funkelnde Lichter, die jede Nacht am Himmel erscheinen? Bestimmt vergingen viele solcher Nächte, bis Muster in den Lichtern zu Tage traten. Dann erkannte das Menschenkind wohl schnell, dass während die allermeisten der Lichter immer die gleichen Muster zeigen, andere schnell zwischen den Mustern herum eilen.

Zwar standen bei der Kälte des Winters und der Hitze des Sommers des Nachts jeweils immer die selben, vertrauten Muster am Firmament. Doch zwischen diesen bewegten sich andere Lichter binnen Tagen und Wochen umher, dessen Weg niemand vorhersagen konnte. Ganz bestimmt wird eines Abends ein Menschenkind die Lichter der Nacht betrachtet haben und ein Frage stieg in ihm auf. Was mag dieses Menschenkind gedacht haben, als es vielleicht sogar inmitten von Tänzen seiner Gefährten innehielt und etwas Größeres schaute?

Vielleicht dies:

Dort oben am Himmel sehe ich, wenn es dunkel wird, Lichter. Es ist wie bei den Feuern, die meine Jagdgenossen an den Hügeln rings herum errichtet haben. Wir beschwören die Macht des Feuers, das uns bei der Nacht wärmt und vor wilden Tieren schützt. Wir haben das wilde Feuer gezähmt. Lassen wir es aus den Augen, dann reißt es sich das Feuertier los und verbrennt schnell alles was es verschlingen kann. Wenn unsere Jagdgründe erschöpft sind und die Frauen alle Früchte gepflückt haben, dann brechen auch wir unser Lager ab um den Tieren zu folgen und neue Früchte zu finden. Wir errichten das wärmende Feuer an anderer Stelle und versammeln uns wenn das Licht der Sonne vergangen ist um uns die alten Geschichten zu erzählen. Auch von den Feuern am Himmel ziehen einige umher. Sind dies Lagerfeuer von Jägern wie wir, die am fernen Himmel ihre Lager errichten? Können sie unser Lager auf der Erde sehen, so wir wir ihr Lager sehen können? Auch mein Vater und dessen Vater kannte diese Feuer am Himmel. Es ist wohl eine mächtige Sippe, die dort oben ihre Wege geht. Manchmal stehen die Lager der Himmelsjäger dicht bei einander. Bestimmt halten sie dann einen Rat ab, so wie sich unsere Sippe mit den anderen trifft. Oder herrscht dort droben auch Krieg, wie zwischen uns und den Sippen unserer Feinde? Wenn wir beobachten, wie die Lagerfeuer der Himmelsjäger umher zeiehen, dann können wir vielleicht etwas darüber erfahren, welcher Stamm mit einem anderen befreundet ist oder im Streit liegt.
Die Himmelsjäger wandern zwischen den anderen, unbeweglichen Lichtern herum, wie wir zwischen den Bergen, Bäumen, Büschen wandern. Bei einigen Lichtern sieht man sie zur bestimmten Jahreszeit, bei anderen ziehen sie nie herum. Dies müssen wohl besonders fruchtbare Gebiete sein, die sie jedes Jahr besuchen. Auch der Mond und die Sonne wandern zwischen diesen Bildern umher und erhellen sicherlich den Tag und die Nacht der Himmelsjäger, so wie es auch hier bei uns ist. Gleicht dieses Sternenbild nicht dem mächtigen Löwen und stürmt dort nicht ein wilder Stier gegen den Helden?
Wie mächtig müssen aber diese Jäger sein und wie groß ihre Lagerfeuer. So lange man ihnen entgegen geht, kommt man ihnen doch nicht näher, auch nicht, wenn sie nahe am Horizont wandern. Wenn das Feuer unserer Nachbarn auch nur einige Teile eines Nachtweges enfernt ist, so kann man kaum noch wahrnehmen. Der weite Himmel ist der Himmelsjäger Jagdrevier und von dort schauen sie gewiss herab auf unsere arme Gemeinschaft, so wie wir zu ihnen.
Ihr Jäger des Himmels, ihr wandelt zwischen den Sternen und seid nahe an Sonne und Mond. Wir mögen Euch wie Kinder erscheinen, die auf der Erde ihrem Spiel nachgehen. Seid uns wohlgesonnen. Wir sind Kinder in euren Augen, die hier im Staub spielen und der unzähmbaren Natur hilflos unterworfen sind. Ihr, die ihr am Himmel mit euren gewaltigen Feuern wandert, schaut auf uns herab und helft uns, wenn ihr mögt.
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