Das ewige Kind (3) - Kastalien-Online

Kastalien Online

Direkt zum Seiteninhalt

Das ewige Kind (3)

Menschen Alltag > Das ewige Kind
Wunsch und Wirklichkeit

Wenn es eine Metamorphose gäbe, in der sich das unverständige und triebgeleitete Kind zu einem vernünftigen Erwachsenen erhebt, so würde dieser innerlich gereifte Mensch sicherlich die überzeugende Kraft seiner Vernunft hoch schätzen, wäre gern ein Erwachsener und würde seinen Verstand zu jeder Gelegenheit und mit Freude benutzen.

Beobachten wir aber die Menschen um uns herum und auch uns selbst, so sieht man dies nur bei Wenigen. Das Alltagsleben eines Erwachsenen wird mit seinen Pflichten doch zumeist als Last empfunden.

"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen", heißt es im Volksmund, also überwinde dich, handle zunächst aus Vernunft und danach kannst Du deiner Lust freien Raum geben. Aber wäre denn nicht die Arbeit für den eingangs beschriebenen Erwachsenen immer ein Vergnügen, da sie eine vernünftige Beschäftigung ist, die er aus Einsicht gerne tut? Wieso ist dem nicht so, was ist es, das sich im Menschen gegen die Stimme der reinen Vernunft auflehnt?

Auch handeln die meisten Menschen wider besseren Wissens, sobald es die Aussicht auf Lust und Genuss gibt. Wer beispielsweise Drogen konsumiert oder auch nur zu viel isst, fügt dem Körper, in dem er wohnt, einigen Schaden zu. Wer würde denn, um einen Vergleich zu finden, daheim die Wände seiner Wohnung "aus Spaß" allmählich zertrümmern, bis das Haus vielleicht zusammenstürzt? So allerdings, gehen die meisten Menschen mit ihrem Körper um. Sie wissen dieses zwar genau, aber Freude empfinden die Meisten trotzdem nicht beim Befolgen vernünftiger Regeln, sondern eher dann, wenn sie Lust ohne die einschränkende Last der Ratio erleben.

Schaut man sich nämlich dieses Wort "erleben" einmal genauer an, so sieht man leicht, dass sogar in der Sprache Vernunft und Logik nicht mit der Freude am Leben assoziieert werden. Ein echtes "Erlebnis" ist im Allgemeinen nicht, wenn man der Vernunft folgt, sondern wenn man sich "unbändig ausleben" kann, was bedeutet, wie ein Kind seinen Wünschen "nach Lust und Laune" folgen zu dürfen.

Warum hat man dann als Kind den Wunsch bald erwachsen zu werden, wenn dann das Leben nur zu einer Last wird? Wir meinen, weil es Dinge der Lust gibt, die dem Erwachsenen vorbehalten sind. Erwachsen zu werden verspricht mehr Spaß, als ein Kind zu bleiben - so wird es jedenfalls erzählt. Aus Sicht eines jungen Menschen erscheint es daher reizvoll erwachsen zu werden, denn damit darf er scheinbar tun, was er will.  Und die älteren Menschen bestätigen diese Annahme, indem sie vorgeben, gern erwachsen zu sein. Erlebt der Jugendliche dann die Enttäuschung, die das Erwachsensein mit sich bringt, so kann er schwerlich zugeben, von seinen Vorbildern, den Eltern, getäuscht worden zu sein und setzt lieber mit seinen Nachkommen dieses Spiel fort.

Der Weg zurück in die Kinderzeit ist von nun an vermeintlich versperrt und wird nur noch insgeheim beschritten.

Zurück zum Seiteninhalt