Kultur und Evolution
Thema der Zeit (nur zur Strukturierung)
Konkurrenz der unbelebten Materie
Charles Darwin hat in seinem 1859 erschienenem Buch "On the origin of species" (Über die Entstehung der Arten) scharfsinnig beschrieben, wie die verschiedenen Arten durch natürliche Auslese auf der Erde entstanden sind. Es ist dabei wichtig zu verstehen, dass hinter der Entwicklung der Arten keine Absicht einer gutmeinenden Naturkraft besteht, sondern dass lediglich die herrschenden Umweltbedingungen, durch wirken der Naturgesetze, der ein oder anderen Eigenschaft Vorteile verschafft. Außerdem geht es nicht darum, wie man oft hört, der Beste im Überlebenskampf zu sein, sondern nur zu erreichen, nicht auszusterben. In der Schule des Auslese-Wettbewerbs der Arten, reicht eine "Vier minus", um versetzt zu werden.
Als populäres Beispiel wie die Evolution wirkt, wird oft der Birkenspanner, eine Nachtfalterart, genannt. Wie der Name schon sagt, lebt dieser Schmetterling auf Birken, wo ihm sein schwarz-weiß gesprenkelter Körper eine ausgezeichnete Tarnung gegenüber seinen Fressfeinden gibt. Als im 19. Jahrhundert die Industrialisierung begann, schwärzten Rauch und Ruß aus den Schornsteinen der Fabriken die Birken und damit verlor der Birkenspanner seine Tarnung, womit der Bestand drastisch abnahm. Allerdings gab es von jeher eine dunkle Variante des Birkenspanners, die weniger häufig anzutreffen war, weil sie auf der unverschmutzten Birkenrinde gegenüber der hellen Variante einen Nachteil hatte. Durch die Änderung der Umweltbedingungen wandelte sich dieser Nachteil jedoch in einen Vorteil, so dass binnen kurzer Zeit, die dunkle Variante häufiger als die helle vorkam und sich der Bestand erholte. (Mittlerweile hat der Umweltschutz dafür gesorgt, dass Birken wieder ihre natürliche Farbe haben und die helle Birkenspanner-Variante ist wieder in der Überzahl)
Wir möchten dieses Prinzip der Auslese durch Vorteil auf alle Bestandteile der Welt erweitern und damit letztendlich auch versuchen zu erklären, warum es verschiedene Kulturen gibt und wie diese untereinander in evolutionärer Konkurrenz vor dem Hintergrund der herrschenden Bedingungen stehen.
Denn sogar die unbelebte Materie unterliegt den selben Gesetzmäßigkeiten, wie Flora und Fauna. Möglicherweise liegt dem ein bislang übersehenes Naturgesetz zu Grunde, wie in diesem Paper ausgeführt wird. Es bewirkt, dass es stets eine evolutionäre Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen gibt. Unter gegebenen physikalischen Bedingungen, wie Druck, Temperatur, Feuchtigkeit usw. können verschiedene Materialien unterschiedlich lange bestehen. Ganze Gebirge und Meere sind im Laufe der Äonen verschwunden, während in anderen Gebieten alte Gesteine die Äonen überdauert haben, wie der Amphibolit aus dem Nordwesten Kanadas, den es seit über vier Milliarden Jahre an dieser Stelle gibt. Dies geschieht in Analogie zu den unzähligen ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten, die den veränderten Umweltbedingungen nicht standhalten konnten. Das selbe Prinzip wirkt also überall: Wenn eine spezifische Eigenschaft "Überdauernsvorteile" erbringt, führt dieser Vorteil dazu, nicht auszusterben oder vielleicht sogar eine Dominanz über andere Formen zu gewinnen.
Von toter Materie zum Gesellschaftsorganismus
Ähnlich der verschiedenen Gesteinsformationen, gibt es auch unterschiedliche Formen des gemeinschaftlichen Lebens, die aus den Umweltbedingungen hervorgingen. Und ähnlich, wie sich Gesteine aus verschiedenen Mineralen zusammensetzen, verleihen die Ideen einer Gesellschaftsform ihre Struktur und Festigkeit. Ebenso haben sich die Kulturen vom Einfachen zum Komplexen, von Steinzeithorden zu Mega-Metropolen entwickelt.
Für über zwei Millionen Jahre war die Gattung "Homo" ein Volk von Jäger und Sammlern, die mit Werkzeugen aus Stein die alltäglichen Aufgaben bewerkstelligt haben. Mit Ausgang der letzten Eiszeit vor rund 15.000 Jahren veränderten sich die Umweltbedingungen. Im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, im heutigen Irak, wuchsen aufgrund des milderen Klimas wilde Getreidesorten, die durch Kultivierung durch den Menschen eine zuverlässige Nahrungsquelle darstellten. In einem Wechsel zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit entstanden neue Gemeinschaften in Form erster Städte (Jericho, Uruk, Susa).
Nebenbei: Die Sesshaftigkeit führte nicht dazu, dass die Menschen ein angenehmeres Leben führten. Die Enge in den Städten und die einseitige Ernährung führte zu Krankheiten. Die Flächen mussten bewirtschaftet und die Ernte bewacht werden. Sogar Kinder mussten nun auf den Ackern arbeiten, damit genug Nahrung zur Verfügung stand. Der Vorteil gesicherter Nahrung führte zu einem schnellen Wachstum der Bevölkerung, allerdings auf Kosten der Freiheit des Einzelnen. Auch mit dem Frieden war es nun vorbei. Der erste bekannte Krieg der Welt, führte um 5.500 v. Chr. zur Auslöschung der blühenden Stadt Hamoukar. Hier zeigt sich wiederum die Unabsichtlichkeit der Naturkräfte.
Die neue Lebensform musste organisiert werden. Auf der einen Seite führte der Besitz an Gütern zu Reichtum und Macht. Wer so viel besaß, dass er Andere für sich arbeiten lassen konnte, wurde unabhängig von der Arbeit der eigenen Hände. Auf der anderen Seite verfügten Priester über Macht durch ihre Verbindung zu den allmächtigen Göttern, von denen unter anderem das Wetter und damit eine ausreichende Ernte abhing. Beide Seiten der selben Medaille führten zu herrschaftlichen Strukturen, deren Prinzipien bis heute Bestand haben. An der Spitze steht ein Herrscher, der sein Volk durch Beamte und den Einfluss auf die geistigen Kaste steuert. Gesetze regeln das Miteinander. Eine hierarchische Abfolge vom König zum Untertanen sorgt dafür, dass der Wille der herrschenden Kaste ausgeführt wird. Wichtige Erfindungen optimierten die Produktionsbedingungen. Die Entwicklung der Geometrie, die durch die jährliche Überschwemmung des Nils nötig wurde, ermöglichte die genaue Vermessung der Besitztümer und damit deren Verwaltung. Mit der Zeit entwickelte sich aus den Notwendigkeiten des Alltags die Staatsform als Idee, die sowohl von den Herrschern, als auch von den Beherrschten als natürlich gegeben angenommen wird. Es ist eine der großen Leistungen des menschlichen Geistes, auf Grund einer Idee, die Form des Zusammenlebens sicherzustellen. Sesshaftigkeit und Handel wirkten als Kraft auf jeden Einzelnen und somit auf die gesamte Gesellschaft. Daraus entstand ein neues Gleichgewicht: Der Staat, dessen stabiles Konstrukt nunmehr seit ca. 5.000 Jahren Bestand hat. Ähnlich einem Lebewesen, in dem die Organe verschiedene Aufgaben zur Erhaltung des Organismus übernehmen, sorgen die Staatsorgane für sein Überleben.
Zäsuren
Von Zeit zu Zeit gibt es Ereignisse, durch die sich die Umweltbedingungen schlagartig ändern. Vor geschätzten 65 Millionen Jahren schlug ein Meteorit in den Golf von Mexiko ein und beendete die 170 Millionen Jahre währende Dominanz der Dinosaurier auf der Erde. Der darauf folgende jahrelange Winter führte übrigens nicht nur zum Aussterben der Saurier, auch ein Großteil der Pflanzenwelt verschwand durch dieses einmalige Ereignis. Für eine mausähnliche Spezies waren die neue Lebensumstände allerdings vorteilhaft und aus ihr entwickelten sich später die Säugetiere, von denen der Mensch eines ist. In Katastrophenfällen haben kleine Lebewesen übrigens einen Vorteil gegenüber größeren. Ohne den Einschlag dieses Meteoriten gäbe es weder Sie noch mich.
Ähnliches kann einer Kultur widerfahren, wie den Maya oder im Jahre 1789 durch die französische Revolution. In einem bis dahin beispiellosen Aufstand ermächtigte sich das Volk und beendete den Absolutismus. In anderen Ländern führte die industrielle Revolution zu einem raschen gesellschaftlichen Umbruch und in ihrem Ausgang dazu, dass sich die Arbeiter in Gewerkschaften organisierten und somit ein Gegengewicht zu den Eigentümern der Fabriken aufbauen konnten. In der Größe des Umbruchs lassen sich die gesellschaftlichen Ereignisse des 18. Jahrhunderts mit dem Einschlag des Meteoriten vor 65 Millionen Jahren vergleichen. Das Ergebnis sind die demokratischen Gesellschaften, die man gemeinhin als "der Westen" bezeichnet. Adam Smith schuf Ende des 17. Jahrhunderts eine theoretische Grundlage für die Entstehung des Kapitalismus, der heute im Wesentlichen die dominante Gesellschaftsform ist. Es gibt weitere Beispiele für derartige Zäsuren, wie den Buchdruck, der erstmals einer breiten Bevölkerung Zugang zu überregionalen Informationen ermöglichte oder die Entdeckung Amerikas. Die Aufspaltung der Gesellschaftsformen geschah stets nicht durch wissentliche Entscheidungen, sondern durch die Änderungen der äußeren Situation. Was die Umweltbedingungen für Geologie und Artenentwicklung sind, bedeuten die Lebensbedingungen für die Formen der Gesellschaft. In anderen Teilen der Welt gab es ähnliche Entwicklungen, wie zum Beispiel das Entstehen des Kaiserreichs in China. In abgeschieden Teilen der Welt, wie Australien, in denen sich die Umweltbedingungen über Jahrtausende nicht änderten, blieben die Gesellschaftsformen über den gesamten Zeitraum nahezu unverändert erhalten, bis diese Kulturen entdeckt und durch die Eroberer fast völlig ausgelöscht wurden.
Nach unserer Überzeugung erleben wir seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts eine weitere Zäsur. Durch das Internet steht erstmals, von Einschränkungen durch restriktive Regierungen abgesehen, jedem Weltbewohner ein äußerst umfangreiches Wissen über andere Teile der Welt zur Verfügung. Die Verbreitung vo Nachrichten erfolgt ohne nennenswerten Zeitverlust. Im Prinzip ist dies eine globale Fortführung des Buchdrucks, dergestalt es durch die Verbreitung von Videos nicht mehr nötig ist, lesen zu können, um an Informationen zu gelangen.
Eine Hierarchie der Vielfalt
Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. In seinem Buch "The selfish Gene" stellt Richard Dawkins die These auf, dass die Entwicklung der Arten, durch eine globale Konkurrenz der Gene zustande kommt. Durch die Entwicklung der biologischen Körper als immer komplexerer "Kopiermaschinen", bemächtigen sich die Gene ihres Wirtes. Dies sei im Prinzip ein mechanistischer Vorgang, bei dem es dem Gen hauptsächlich darauf ankäme, möglichst viele Kopien seiner selbst zu verbreiten. Neben der reinen Bio-Mechanik, die sich molekularer Ebene abspielt, darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Gene Informationen speichern. Sie sind keine beliebige Anordnung von Atomen, sondern tragen eine Bedeutung in sich, zum Beispiel darüber, wie ein bestimmtes Eiweiß aufgebaut ist. Aus unserer Sicht ist nicht das Kopieren der Gene Antrieb der Evolution, sondern die Verbreitung und Zusammensetzung der enthaltenen Informationen in immer komplexere Zusammenhänge.
Somit ergibt sich ein durchgehender, evolutionär gesteuerter Zusammenhang: Atome = Physik, Moleküle = Chemie, Stoffwechsel = Biologie, Lebewesen = Soziologie mit bedeutsamen Umbrüchen an den Übergängen, die dadurch entstehen, dass die Kombination einfacherer Informationen niedrigerer Ebenen, neue Informationen auf höheren Ebenen generieren. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Vielleicht kann man das Prinzip sogar auf die Entstehung des Universums anwenden. Eines der ungelösten Rätsel, sind die Werte der Naturkonstanten.
Warum beträgt die Planck-Komstante 6.62607015e-34 Js und nicht 6.62607016e-34? Nun, vielleicht weil der erste Wert dem zweiten überlegen ist, indem er ein stabileres Universum ermöglicht, welches Wesen erzeugt, die sich solche Fragen stellen können.
Wettstreit der Ideen
Durch die Differenzierung der Kulturen in den vergangenen Jahrhunderten, gibt es auf der Welt eine Vielfalt verschiedener Gesellschaftstypen. Eine bekannte Kategorisierung ist die Unterteilung in die Erste, Zweite und Dritte Welt. Die Erste Welt ging aus der Kolonialisierung hervor. Man könnte diese Form auch als Überflussgesellschaft bezeichnen, in der Bedürfnisse wie Individualismus, Konsum, Vergnügen im Vordergrund stehen. Die Gesellschaften der zweiten Welt entstanden nach der russischen Revolution 1917 und bestanden bis in die 90er Jahre. Merkmal dieser Gesellschaften ist eine zentralistische gesteuerte Marktwirtschaft. Die Länder der Dritten Welt sind die Hinterlassenschaften der Kolonialisierung der Länder der Ersten Welt. Sie sind gekennzeichnet durch Armut, niedrigen Bildungsstand, Benachteiligung von Randgruppen und niedriger Lebenserwartung.
Im Internet-Zeitalter verschwimmen diese Unterschiede immer mehr. Weltweit nutzen rund 67% der Einwohner das Internet. Selbst in Ostafrika, der Region mit der geringsten Nutzung, beträgt der Anteil mehr als ein Viertel der Bevölkerung (Quelle: de.statista.com), wobei Afrika und Asien den größten Anteil an der mobilen Nutzung weltweit aufweisen. PC oder Notebook haben diese Regionen übersprungen. Der Zugang zum Internet führt zu einer größeren Chancengerechtigkeit. Er ermöglicht den Vergleich der eigenen Lebensweise mit der Anderer sowohl auf globaler Ebene zwischen Völkern, als auch auf lokaler Ebene, z.B. bei der Bildung einer politischen Meinung.
Zur Zeit, als dieser Artikel geschrieben wurde (September 2024) stehen Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika vor der Herausforderung mit großen Einwanderungsbewegungen aus dem globalen Süden umzugehen. Die damit einhergehenden Probleme in den Einwanderungsländern führen zu einer Änderung des "Biotops" auf dem konservative Ideen besser gedeihen als progressive. Es stehen sich auch religöse und säkulare Weltbilder gegenüber. Außerdem handelt es bei den Einwandernden größtenteils um jüngere Menschen, die auf eine alternde Gesellschaft in den Ländern der Ersten Welt treffen. Es wird sich zeigen, welche neue Gesellschaftsform aus diesen "Umweltbedingungen" im evolutionären Streit hervorgehen wird.
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